- Steuer: Steuerwirkungen und Inzidenz
- Steuer: Steuerwirkungen und InzidenzDas Streben von Steuerpflichtigen, der Belastung durch Steuern zu entkommen, ist so alt wie die Besteuerung selbst. Der Florentiner Kaufmann Giovanni di Pagolo Morelli warnte bereits im 14. Jahrhundert vor überflüssigen moralischen Bedenken: »Vermeidet Falschheit wie die Pest - außer in Steuerdingen, wo sie nicht zählt, weil ihr hier nicht lügt, um fremde Güter zu erlangen, sondern um die eigenen vor ungerechter Einziehung zu schützen.« Aus diesem Zitat geht deutlich der Zusammenhang hervor zwischen Steuermoral, der subjektiven Einstellung zur Erfüllung der Steuerpflicht, und Steuergerechtigkeit, die als gerecht empfundene Verteilung der Steuerlast zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben.Legale und illegale AusweichreaktionenBei den Ausweichbemühungen sind drei Arten zu unterscheiden: Steuervermeidung, Steuerumgehung und Steuerhinterziehung. Rechtlich legitim ist die Steuervermeidung z. B. durch den Kauf von steuerlich begünstigten Immobilien. Handlungen, durch die der Steuerpflicht legal ausgewichen wird, können politisch sogar gewollt sein (z. B. spezielle Besteuerung schädlicher Produkte wie Tabak oder Alkohol, um deren Konsum einzuschränken). Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die steuerlich bedingte Entscheidung eines Unternehmens, den Standort ins Ausland zu verlagern. Illegal hingegen ist die Steuerhinterziehung, bei der einer eindeutig bestehenden Steuerpflicht nicht nachgekommen wird. Gerade bei Einkünften aus Kapitalvermögen ist die illegale Steuerflucht weit verbreitet. Dabei ist die Verlagerung von Kapital in Länder ohne Zinsbesteuerung (Steueroasen, Steuerparadiese) keineswegs illegal. Das Gesetz wird aber dann gebrochen, wenn die etwa in Luxemburg zugeflossenen Zinsen eines in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen nicht in dessen Einkommensteuererklärung deklariert werden.In der rechtlichen Grauzone spielen sich Tatbestände ab, bei denen durch rein steuerlich motivierte Dispositionen Unklarheiten der Gesetzeslage zur Vermeidung oder Minderung der Steuerbelastung genutzt werden. Hierbei spricht man auch von Steuerschlupflöchern, bei einer missbräuchlichen Nutzung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten von Steuerumgehung. Beispiele sind die allein steuerlich motivierten Konstruktionen von neuen Finanzprodukten.Formale und materielle InzidenzAuch wenn es zu keinen Ausweichmanövern kommt, beeinflusst eine Steuer das wirtschaftliche Verhalten. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer etwa kann dazu führen, dass die privaten Haushalte ihren Konsum einschränken. Möglich ist aber auch, dass die Unternehmen auf eine Mehrwertsteuererhöhung durch Senkung der Nettopreise reagieren. Aufgrund dieser Reaktionen kann ohne nähere Analyse auch nicht gesagt werden, wer am Ende die Last einer Steuer in Form eines höheren Preises zu tragen hat. Die Belastung durch eine Steuer wird auch als Steuerinzidenz bezeichnet. Dabei wird zwischen der juristischen und der finanzwissenschaftlichen Analyse unterschieden. Rechtlich wird darauf abgestellt, wer die Steuer an das Finanzamt abzuführen hat (formale Inzidenz). Das entscheidende finanzwissenschaftliche Kriterium ist dagegen, wer steuerbedingt mit Wohlfahrtseinbußen konfrontiert ist (effektive Inzidenz). Die formale entspricht keinesfalls immer der effektiven Inzidenz, weil es zur Überwälzung von Steuern kommen kann.Die Steuerüberwälzung lässt sich am Beispiel der Kaffeesteuer verdeutlichen. Die formale Inzidenz trifft den Kaffeeimporteur, der gegenwärtig 4,30 DM pro kg (Stand 1999) an den deutschen Fiskus aus seinen Umsatzerlösen abzuführen hat. Die effektive Steuerlast trägt aber v. a. der Kaffeekonsument, der einen höheren Bruttopreis für das Pfund Kaffee zahlen muss und dieser Belastung kaum ausweichen kann - außer durch Einschränkung des Kaffeegenusses.Die Determinanten der InzidenzWer entscheidet über die effektive Steuerinzidenz? Diese Entscheidung trifft nicht der Gesetzgeber, sondern der Markt. Entscheidend sind die relative Marktmacht von Angebot und Nachfrage sowie das Angebots- und Nachfrageverhalten. Beispiel: Erhöhung der Mineralölsteuer. Ist die Nachfrage völlig unelastisch (die Konsumenten fragen unabhängig vom Preis eine feste Menge Benzin nach), dann tragen die Autofahrer die volle Last der Steuererhöhung. Das Gleiche gilt für ein völlig elastisches Angebot, bei dem die Tankstellen auf die geringste Preissenkung hin den Verkauf einstellen. Umgekehrt trifft die Tankstellenbetreiber bzw. die Mineralölgesellschaften die volle effektive Inzidenz, wenn das Angebot völlig unelastisch ist und nicht auf Preisveränderungen reagiert. Das Gleiche gilt für eine völlig elastische Nachfrage: Die kleinste Erhöhung des Benzinpreises führt bereits zu einem Ende des Autofahrens. In der Realität wird die Inzidenz der Mineralölsteuer irgendwo zwischen diesen beiden Extrema liegen: Der Autofahrer ist mit einem höheren Bruttopreis konfrontiert und die Mineralölgesellschaften können nicht die Nettopreise erzielen, die ohne eine Steuer möglich wären.
Universal-Lexikon. 2012.